Montag, 23. Juli 2012

Die letzten 3 Tage: Da isser der Pazifik!

Samstag, 21.07.2012


Nachdem Portland heute Nachmittag von strahlend blauem Himmel überdeckt wird, unternehme ich eine Biketour nach Downtown und zum Washington Park. Aufgrund der vielen Radspuren ist es fast schon ein echter Genuss in der Stadt Fahrrad zu fahren. Da es zum Washington Park ziemlich steil hinauf geht, nehme ich für eine Station die "S-Bahn" und dann den Aufzug, der mich direkt im Washington Park ausspuckt.


Da es Wochenende ist, bin ich hier natürlich nicht alleine. Somit teile ich mir mit allerhand Gleichgesinnten, die Sehenswürdigkeiten und Ausblicke auf Downtown Portland und Mt. Hood.
Abends gibt's dann wieder lecker Dinner von Lauren. Homemade Pizza und Eis, delicious! :-)

          



Sonntag, 22.07.2012

EIgentlich wollte ich um 8 Uhr los, doch ich habe mal richtig verpennt. Es schläft sich wirklich gut im Hause Le. Nach einem leckeren Kaffee geht's gegen 10 Uhr in Richtung Pacific City. Doch erstmal muß ich aus er der Portland Area rauskommen, was mir nach ein paar Umwegen schließlich auch gelingt. Im Vergleich zu den letzten Wochen ist es heute ziemlich frostig. Die Sonne versteckt sich und ich muß sogar mit Jacke fahren. Hatte ja schon fast vergessen, dass ich auch solche Kleidungsstücke dabei habe. Der weitere Weg verläuft unspektakulär. In McMinnville miete ich mich in ein Motel ein, um mich auf den morgigen Tag vorzubereiten: Meine Ankunft am Pazifik.


Montg, 23.07.2012

Da ist er, der letzte Tag. Heute werde ich meine Füße in den Pazifik halte und hoffen, dass ich damit nicht ein Fischsterben auslöse. Obwohl, wenn die verseuchte Suppe aus Japan schon hierüber geschwappt ist, kommt's darauf auch nicht mehr an.

Im Übernachtungspreis inbegriffen ist wieder einmal ein Continental Breakfast mit vielen Kalorien, jedoch wenig Brennwert. Gibt eigentlich keine Kraft.
Hank, der mich seinerzeit bei meiner Ankunft in Newark am Flughafen abholte, erklärte mir damals, anhand eines Lagerfeuers, seine Sicht der Dinge: Es gibt gute und schlechte Lebensmittel. Schlecht sind beispielsweise Doughnuts und dieses ganze Zuckerzeugs und gut sind dagegen Nüsse. Zucker kann man sich wie ein Blatt Papier vorstellen. Wirft man dieses ins Feuer, so brennt es zwar unmittelbar ziemlich hell, doch schenkt es einem nur für sehr kurze Dauer ein wenig Wärme. Nüsse sind dagegen solide, also so wie gutes Holz. Das wirfst man ins Feuer und es spendet einem für lange Zeit Wärme. Ich fand das damals sehr passend, doch merke ich gerade, dass das eigentlich gar nichts zur Sache tut. Also zurück zum eigentlichen Thema.

An sich wollte ich noch eine theadralische Story vom Stapel lassen, wie ich mich mit meinem angeschlagenen Knie und letzter Kraft, quasi heldenhaft über die Bergkette kämpfe. Doch dann bleiben doch tatsächlich einfach die erwarteten Steigungen aus, was ich natürlich nicht als schlimm empfinde. Ich habe also einen relativ entspannten Ritt über einige Hügel.

Kurz vor Pacific City wird es Zeit, die richtige Musik auf's Ohr zu legen, um die Ankunft am Pazifik auch entsprechend zu zelebrieren. Monumental wie der Moment für mich sein soll, lege ich passend dazu Tobi Sammet's Metal Epos "Avantasia" in meinen Walkman und cruise breit grinsend und etwas stolz durch Pacific City. Jolly hält es auch nicht mehr auf seinem Platz. Mit stolz geschwellter Brust steht er in seiner weit aufgeklappten Lenkertasche und winkt wie die Queen von England Jedem zu, den wir in einem Abstand von 10 Metern passieren. Als ob das nicht reichen würde, skandiert er in gut deutscher Mannier auch noch "So seh'n Sieger aus, Schaalallaalallaah!" und "Ohne Jolly wär hier gar nix los!". Ich will ihm seine gute Laune ja nur ungern ruinieren, doch als wir schließlich in den Dünen des Bob Straub Stateparks ankommen, bitte ich ihn, ein wenig diskreter zu sein. Seinen kleinen Seitenhieb "Spießer" überhöre ich einfach.

Da ist er, der Pazifik! Doch enden soll die Story erst im Meer. Also schnalle ich die Packtaschen ab und wuchte mein Gefährt die Dünen hinunter ans Meer. Ein freundlicher Mister hält diesen Moment für mich fest.
Eigentlich wollte ich nur das Vorrad etwas ins Meer dippen, werde dabei jedoch komplett umspült. Doch das juckt nun auch nicht mehr.
Wir sind da! Angekommen am Pazifik! 68 Tage sind seit unserem Start bei Hilary und Hank am 17.05.2012 vergangen. Über 6000 Kilometer quer durch den gesamten Kontinent, davon knapp 4000 Kilometer mit meinem weißen Zweirad, waren Jolly und ich unterwegs und haben dabei 4 Zeitzonen durchquert.

Jolly und ich sitzen noch einige Zeit in den Dünen und genießen schweigend das Meer, bevor wir zum Whalen Island Campground fahren und unser Zelt aufschlagen. Den morgigen Tag werden wir noch an der Küste verbringen, bevor wir am Mittwoch den Bus zurück nach Portland nehmen. Arbeit wartet dort. Wir müssen das Fahrrad sicher und günstig wieder nach Deutschland verschiffen. Doch wir haben tatkräftige Unterstützung. Vielen Dank Lauren & David für die Hilfe und dass wir so lange bei Euch wohnen dürfen. Ohne Euch hätten wir wohl deutlich mehr Arbeit.

Ich könnte jetzt schreiben, wie traurig es ist, dass der Trip nun vorbei ist. Doch das bin ich nicht. Ich bin nicht traurig. Ich bin dankbar für die Möglichkeit dieses Abenteuers, den Leuten die mich unterstützt haben und dankbar mir selber, dass ich's durchgezogen habe.
Ein extra Dank gilt natürlich meinem treuen Begleiter und Kumpel Jolly ohne den so mancher Abend am Lagerfeuer recht einsam gewesen wäre.

Da unser Campground sehr idyllisch liegt, bietet er das ideale Umfeld, für einen würdigen letzten Tourabend. Zwar liegt er nicht direkt am Meer, dafür an einem kleinen See, der mit dem Meer verbunden ist. Dort finden wir eine ruhige Stelle und genießen einen traumhaften Sonnenuntergang.
Natürlich machen wir auch nochmal ein standesgemäßes Lagerfeuer und blicken auf unsere gemeinsame Zeit zurück. Zur Feier des Tages erlaubt mir Jolly sogar ein Coors Light.
Life's good! :-)

Das war's von uns. Kurz und schmerzlos sagen wir an dieser Stelle vorerst: bye and cheerz!

Jolly und Olli




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Freitag, 20. Juli 2012

Die letzten 4 Tage: Portland, but the story ain't over

Dienstag, 17.07.2012

Sunset am Columbia River
Hätte ich mal den Tipp von James beherzigt und mir die Ohrenstöpsel reingedrückt. Habe das Gefühl, die Züge fahren direkt durch mein Zelt. In Amerika müssen die Lokführer vor jedem Bahnübergang viermal die Sirene betätigen. Und die Jungs zelebrieren diese Pflicht. Da wird nicht viermal kurz gehupt, nein! Das muss ja auch wirklich jeder mitkrigen, dass da ein Zug fährt. Boah! Frage mich was das soll. Die Schranken sind doch geschlossen. Außerdem hört man den Zug auch ohne Sirene schon meilenweit. Da helfen echt nur noch Entspannungsübungen


Unser kostenloses Campingplätzchen

Zu allem Überluss werde ich kurz nach Mitternacht auch noch vom Regen geweckt. Regen?
Komischer Regen, der nur alle 40 Sekunden mal das Zelt trifft. Ich frage Jolly was er davon hält, doch bekomme keine Antwort. Seinen Schlaf müsste man haben.
Ich Held habe das Zelt wohl zu nah an der Sprinkleranlage aufgestellt, die hier um Mitternacht für eine Stunde anspringt. Daher darf ich nun hier liegen und den lustigen Wasserspielen lauschen.
Leicht zerknittert geselle ich mich gegen halb 7 noch zu eine Tasse Kaffee zu James & Teri und genieße anschließend noch für einige Zeit den Columbia River.

Malerische Strecke
Ross, mein heutiger Warmshower Host in Hood River hat mir gestern noch gemailt, dass ich ab The Dalles unbedingt den alten Columbia River Highway fahren soll. Der wäre zwar ein wenig hügeliger, doch schöner zu fahren, als die Interstate.
Bis nach The Dalles fahre ich noch Interstate, die hier jedoch traumhaft verläuft. Links schroffe Abbruchkanten und rechts der Columbia River. Außerdem wandle ich hier auf den Spuren von Lewis & Clark. Also wieder einmal auf historischen Spuren unterwegs.


Der Mt. Hood aus östlicher Richtung
Und irgendwann taucht er imposant vor mir auf: der Mt. Hood. Mit 3425 Metern ist er der höchste Berg Oregons. Und wie man sieht, ist dort das ganze Jahr Skisaison.

(Fast) Kein Ritt auf der Interstate ohne einen Platten. Weshalb sollte das heute anders sein. Kurz vor The Dalles fange mir doch tatsächlich noch ein prächtiges Stück Draht in meinem Vorderreifen ein. Da meine Abfahrt von der Autobahn jedoch nicht weit entfernt ist, lasse ich den Draht stecken und humple bis zu einer Tankstelle, wo ich mich mal wieder ans Reifen wechseln mache. Der Draht war für den "Green Slime" wohl zu dick, anders kann ich mir das Versagen des Wunderkleisters nicht erklären.

Der Beginn des Scenic Byway
Offensichtlich habe ich beim Reifenwechsel nicht gründlich genug den Mantel abgesucht, denn bereits einige Kilometer später wird es schon wieder schwammig auf der Vorderachse. Das darf doch wirklich nicht war sein! So langsam verliere ich die Lust an diesem Spiel. Da der Reifen jedoch nur langsam die Luft von sich gibt und Hood River nicht allzuweit entfernt ist, entscheide ich weiterzufahren und alle paar Kilometer wieder aufzupumpen. Leider ist Entfernung relativ, vor allem in einer bergigen Region. Was eine Odysee.



Wir haben Spaß
Ron hat nicht zu viel versprochen. Der alte Columbia River Highway ist wirklich deutlich schöner als die Interstate und auch deutlich bergiger. Als Teilinvalide mit halb aufgepumpten Reifen erfordert die Strecke jedoch erhöhte Kraftanstrengung. Was bin ich froh, dass sich die Sonne hinter Wolken versteckt.
Immer wieder werde ich von Rennradfahrern überholt. Komme mir vor wie ein alter Unimog, der voll beladen und nur auf 3 Töpfen den Berg hochrobbt, während er von schnittigen Sportwagen überrundet wird. Ich schiebe diese lächerliche Metapher jedoch unmittelbar wieder zu Seite, denn dieser Vergleich hinkt! Mein Ego nimmt daran also keinen Schaden.

Ross wohnt mit seiner Tochter in einer ruhigen Gegend von Hood River. Schön gelegen und ein sehr geräumiges Haus. Ich bekomme sogar meine eigene Garagenwohnung. Traumhaft.
Zu dritt fahren wir noch einkaufen. Unterwegs halten wir bei einem Freund von Ross, der zusammen mit seiner Frau einen Mediterranen Laden betreibt. Zu meiner Überraschung stellt sich heraus, dass es Deutsche sind. Vor über 10 Jahren sind sie aus Garmisch-Partenkirchen hierher ausgewandert. Nebenbei erfahre ich, dass es in Hood River sogar sowas wie eine deutsche Community gibt.
Zum Tagesabschluss zaubert uns Ross noch lekckere Pasta, bevor ich mich in mein Reich verabschiede und ziemlich gerädert in die Waagerechte gehe.


Mittwoch, 18.07.2012

Ross hat mir gestern bereits angeboten, dass ich gerne einen weiteren Tag hier bleiben kann. Und da mein Rad ja eine kleine Generalüberholung benötigt, nehme ich das Angebot gerne an.


Donnerstag, 19.07.2012

Frühstück am Herman Creek
Die letzte Etappe, bevor ich in Troutdale, vor den Toren von Portland, noch einmal Quartier beziehe. Bei einem Kaffee verabschiede ich mich von Ross, der mir noch ein Breakfast Burrito mit auf den Weg gibt. Thanks a lot Ross! I enjoyed the stay at your home and your delicious meals. :-)

Zunächst geht es wieder ein paar Meilen auf die Interstate, bevor ich erneut auf den alten Columbia Highway abbiege, wo drei schöne Wasserfälle auf mich warten.


Beim ersten bin ich noch gänzlich ungestört, was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn dieser Teil Scenic Byway ist nur für Fahrräder und Fußgänger freigegeben. Von Wasserfall kann man jedoch eigentlich nicht reden. Dafür ist es sehr idyllisch, weswegen ich auch ein bischen Zeit hier verbringe. Alles ist extrem grün, Farne wachsen zwischen den Bäumen und Moos hängt an Steinen und Bäumen, was darauf hindeutet, dass es in diesem Teil von Oregon hin und wieder mal regnet. Der Stopp gibt mir die Gelegenheit, mal mein Stativ auszupacken, was ich bereits tausende von Kilometern quer durch's Land geschleppt habe. So kann ich mal ein wenig mit der Belichtungszeit spielen.



Bei meiner Weiterfahrt staune ich nicht schlecht, als mir plötzlich ein Treppenaufgang in den Weg springt. Was soll das denn bitte? Hier war wohl jemand zu faul, einen Weg zu bauen! Da ich mich von sowas doch nicht aufhalten lässt, wuchte ich mein Reisegerät die Treppe hoch. Gütigerweise haben sie eine Rinne für die Fahrradreifen vorgesehen, was das Unterfangen etwas erleichtert.


Die Horsetail Falls
Bei den zweiten Fällen, den Horsetail Falls, ist schon ein wenig mehr Rummel, allerdings noch überschaubar.
Bei den dritten und wohl berühmtesten Fällen, den Multnomah Falls, ist dann jedoch so viel Andrang, dass kein Parkplatz zu bekommen ist, was mich ja nicht weiter stört. Allerdings sind die Pilgerfahrten hier überhaupt nicht meine Welt. Leider bin ich auch zu falschen Tageszeit hier, sodass die Fälle im Schatten liegen.
Naturgemäß halte ich mich nicht übermäßig lange hier auf, sondern nehme die letzten Meilen bis nach Troutdale unter die Räder, wo ich im örtlichen "Jack in the box" meinen Kalorienhaushalt ins Gleichgewicht schieße.


               


Freitag, 20.07.2012

Von Troutdale sind es nur noch wenige Meilen bis zu David & Lauren. Da das hier schon der Großraum Portland ist, fahre ich nur noch durch bewohntes Gebiet. Das ist in Portland jedoch nicht schwierig, immerhin bin ich in der fahrradfreundlichsten Stadt der USA. So gibt es hier also jede Menge Biketrails und gekennzeichnete Fahrspuren für Radfahrer, was die ganze Sache natürlich erheblich erleichtert.

Da die Beiden noch nicht zu hause sind, haben sie mir den Schlüssel unter die Fußmatte gelegt und in der Küche einen "Welcome Oliver" Zettel hinterlassen. :-)
Schon ziemlich ungewohnt, sich in einem fremden Haus aufzuhalten, wenn die Besitzer noch nicht mal da sind. Ich finde, daran erkennt man aber, was ich für ein vertrauenswürdiges Individuum bin! Bin mal gespannt, ob ein Nachbar die Cops verständigt...

Abends zaubert Lauren noch ein wahrhaft leckeres Dinner und wir schmieden Pläne, wie wir mein Bike einfach und kostengünstig nach Deutschland kriegen. Die Hilfsbereitschaft ist wirklich unglaublich. Morgen werde ich ne Runde durch Downtown Portland drehen und am Sonntag beginnt dann endgültig der letzte Teil der Reise.



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Montag, 16. Juli 2012

Die letzten 5 Tage: Flat tires

Donnerstag, 12.07.2012

Da mein Knie einfach keine Ruhe geben will, haben wir gestern beschlossen, dass Ann & Chuck mir heute noch etwas "Starthilfe" geben; bzw. Ann hat mir das nahe gelegt. ;-) Meine ursprünglich geplante Route quer durch Oregon, hält sie für zu schwierig und vor allem, für zu heiß. Ich solle lieber entlang des Columbia River bis Portland fahren, da es dort deutlich weniger hügelig ist und es angenehmere Temperaturen hat. Das ist schon ein wenig frustrierend. Für so lange Zeit hatte ich mit dem Knie keine Probleme, dafür nun umso mehr. Letztendlich sehe ich es ein wenig gefrustet ein und stimme der Starthilfe zu.

Wir beladen den Wagen und die Beiden fahren mich von Boise nach Pendleton in Oregon. In Baker City halten wir zwischenzeitlich bei einer Art Museum über den Oregon Trail, der direkt hier entlang führt. Toll gemacht und gute Informationen über die damaligen Gegebenheiten und Strapazen, denen sich die Siedler ausgesetzt haben. In Pendleton angekommen werde ich bei einem Motel 6 abgeladen. Anschließend gehen wir in Downtown Pendleton noch einen saftigen Burger essen, bevor die Beiden die Rückreise antreten. Die von Ann prophezeiten kühlerern Temperaturen müssen wohl noch unterwegs sein, denn irgendwie ist es hier heißer als in Boise. ;-)

Was soll ich sagen: Viele vielen Dank Ann & Chuck, sowohl für die tolle Gastfreundschaft, als auch für die Fahrt. Ich sehe es zwar ein, dass es für das Knie besser ist, doch so richtig toll fühle ich mich nicht. Ich wollte das aus eigener Kraft schaffen! ;-) Auf jeden Fall hoffe ich, dass wir uns wiedersehen!

Den Rest des Tages verbringe ich damit, meinen Ärger über mein Knie zu unterdrücken und meine weitere Strecke zu planen. Bis Portland sind es nun etwa 350 Kilometer, bis zur Küste nochmal weitere rund 150 Kilometer. Eigentlich sollte Portland mein Ziel sein, doch dadurch, dass ich nun vor dem Zeitplan liege, werde ich bis an den Pazifik fahren, auch wenn das bedeutet, nochmal eine Gebirgskette zu überqueren. Das Knie wird das aushalten müssen. Ende der Diskussion.


Freitag, 13.07.2012

Da ich es mir zeitlich nun erlauben kann, lege ich heute kurzentschlossen noch einen Day off ein. So gesehen hätte ich auch noch einen weiteren Tag bei Ann & Chuck bleiben können, was bestimmt auch Milow gefreut hätte. Und es wäre ganz sicher spassiger gewesen. Aber wieder einmal sind wir hier ja nicht bei "Wünsch dir was". Daher verbringe ich den Tag in Pendleton, was nebenbei bemerkt, sehr bekannt für seine Rodeos ist. Am heutigen Tag ist jedoch keine Veranstaltung. Wäre ja auch zu schön gewesen.


Als ich wieder im Motel ankomme, klebt Jolly mit der Nase an der Scheibe des Motelzimmers. Überflüssig zu fragen, was er da treibt, denn vor dem Nachbarzimmer steht ein Pickup Truck, mit einem Wauzi auf der Ladefläche. Wenn ich 1 und 1 zusammenzähle, scheint das ein Mädchen zu sein, denn bei Milow war er nicht so interessiert. Er wird sich doch nicht gerade verlieben...


Samstag, 14.07.2012

Ein weiterer Ritt auf der Interstate steht an, der jedoch recht ereignislos verläuft. Rund 75 Kilometer geht es kerzengerade durch die Wüste. Ohne einen Platten komme ich am frühen Nachmittag in Boardman an, wo ich mich im Roadway Inn einmiete.

Vor meiner Zimmer, ich empfinde dieses übrigens als das beste Zimmer der gesamten Tour, komme ich mit Jerome ins Gespräch, der gerade dabei ist, seinen Truck sauber zu machen. Jerome arbeitet bei General Electric und stellt überall im Land die Windturbinen auf. Da er ein sehr mitteilungsbedürftiges Kerlchen ist, bin ich nun ein wandelndes Turbinenlexikon.
Für diejenigen unter uns, die Uwe M. noch kennen: Jerome ist eine fast exakte Kopie in Mimik und Emotion, faszinierend! In Anlehnung an Uwe's legendäres "hmpf, Notes" entgegnet mir Jerome auf meinen Hinweis, dass ich noch bis zu Küste fahren will, da es dort sicher traumhaft ist: "hmpf, just water". Weltklasse :-)
Uwe, falls Du hier noch mitließt, nix für ungut, aber das war atemberaubend!

Den restlichen Nachmittag verbringe ich am Columbia River und gönne mir abends im örtlichen Restaurant einen Chickenburger mit Pommes. Das Preis-Leistungsverhältnis ist bei diesem Exemplar jedoch in einer derartigen Schieflage, dass es fast schon wieder komisch ist. Aufgrund meines etwas verhandlungsunsicheren englischen Vokabulars, sehe ich jedoch von einer Beanstandung ab.



Sonntag, 15,07.2012

Es wurde gestern bereits angekündigt, dass heute ein windiger Tag werden soll, was per se erstmal nichts Schlechtes ist. Nur ist es in meinem Fall extrem hinderlich, da das Lüftchen aus der falschen Richtung kommt. Und der Begriff "Wind" verfehlt den Kopf des berühmten Nagels auch um einige Meter. Es ist die heftigste Luftbewegung, der ich mich, seit meinem Start in New York, ausgesetzt sehe. Für die 5 Kilometer von meinem Hotel zu einer Rest Area brauche ich eine halbe Stunde. Ich komme kaum mit 10 km/h vorwärts, was den Spaß des Unterfangens deutlich einschränkt. Aber was soll's, so sind die Bedingungen nunmal, also reite ich mal weiter.
Gerade als ich von der Rest Area zurück auf die Interstate fahre, bemerke ich ein etwas schwammiges Verhalten der Vordergabel. Ich halte an, schließe die Augen, atme langsam und tief ein und lasse die Luft wieder komplett aus meinen beiden Lungenflügeln entweichen. Erst jetzt öffne ich die Augen wieder und schaue gefasst auf mein Vorderrad. Was ich dort sehe erstaunt mich nun nicht mehr übermäßig. Flat tire No. 3!
In diesem Moment muss ich an Ann denken. Hatten wir doch extra noch den "Green Slime" gekauft, welcher die Reifen von innen abdichten soll. Leider steht die Tube noch so wie wir sie gekauft haben in Boise. :-(

Offensichtlich scheint es sich nur um ein kleines Loch zu handeln, denn die Luft ist nicht komplett raus. Ich pumpe den Reifen nochmal auf und in der Tat verliert er nur langsam an Luft. Wenig motiviert, hier wieder einen Reifenwechsel vorzunehmen, fahre ich zu nächsten Ausfahrt und... ...zurück nach Boardman. Kommentar überflüssig. Das ist heut nicht mein Tag. An der Ausfahrt pumpe ich den Reifen jedoch nochmal so voll, wie das mit meiner kleinen Pumpe eben möglich ist.
Als ich über die Brücke fahre und auf die Gegenfahrbahn einbiege, habe ich das Gefühl, von einer Art Sog erfasst zu werden. Wahnsinn wie das hier pfeift. Mit über 40 km/h fegt es mich zurück nach Boardman. Wind ist schon was Tolles, wenn er aus der richtigen Richtung pfeift.

Angela, die Hotelmanagerin, schaut mich etwas fragend an, als ich plötzlich wieder vor ihr stehe. "You forgot something?" fragt sich mich. Ich erkäre ihr, dass das heute aufgrund des Windes ein ziemlich schlechter Tag sei, um vernünftig vorwärts zu kommen und ich überflüssigerweise auch noch einen Platten hätte. Ob ich noch eine weitere Nacht hier bleiben könne.
Offensichtlich habe ich mit meinem Hundeblick ihren Mutterinstikt geweckt, denn sie bietet mir an, das Zimmer zu einem Bruchteil des eigentlichen Preises zu beziehen. Das sei ihr Support für meinen Trip. Ist das nicht toll?! Erfreut und gleichzeitig gerührt nehme ich ihr Angebot vielfach dankend an. Life's good :-)

Gerade als sie die Formalitäten erledigt, kommt ihr Kollege rein. "Hey man what's up! Two flats! Very bad." Überrascht gebe ich zurück: "No just one flat!" und gehe nach draußen, um die Hiobsbotschaft zu prüfen. Tatsächlich! Da steht mein Schmuckstück ohne Luft in beiden Pellen. Was soll mir dieser Tag sagen?
Angela erkärt mir, dass in diesem Gebiet viele kleine Dornen rumfliegen und checkt meine Reifen. Und in der Tat. Im Hinterrad steckt eine dieser Dornen. Ob ich denn nicht den "Green Slime" verwenden würde, der dichtet solch kleine Löcher ab. Nun, ich denke ich werde mir diesen gleich heute besorgen.


Montag, 16.07.2012

Reifen sind geflickt, Green Slime ist eingefüllt, von nun an sollte, zumindest bei den Reifen, nichts mehr schief gehen. Mein Weg führt mich auf der Interstate immer entlang des Columbia River, der an vielen Stellen so breit ist, dass man das Gefühl hat, an einem See zu sein. Von dem gestrigen starken Gegenwind ist heute nichts mehr übrig. Im Gegenteil, ich habe sogar leichten Rückenwin.
Es ist ein toller Tag, kein Wölkchen weit und breit, sehr warm aber nicht heiß und der Verkehr hält sich auch in Grenzen, sodass auch die meisten Trucks brav auf zweite Spur ausweichen.

Am frühen Nachmittag mache ich in einem kleinen Park am Fluss halt. Sehr idyllisch gelegen, sodass ich hier gerne campen würde, auch wenn ich eigentlich noch ein paar Meilen fahren könnte, denn mein Knie hält sich heute erfreulicherweise zurück.
Mit meinem Hundeblick komme ich beim hiesigen Parkranger jedoch nicht weit. Auf meine Frage, ob ich denn auf der schönen Grünfläche (die eigentlich nur für den Gebrauch tagsüber bestimmt ist) kostenlos mein Zelt aufschlagen könne, entgegnet dieser recht knapp: "No sir. Either you can go to the campground for 14 Dollars or you can camp a few miles down the river at John Day Dam for free."

Nun, damit is meine Entscheidung klar und ich schaue mir den "Campground" am John Day Staudamm an. Schnell wird jedoch klar, dass ich hier nicht glücklich werde. Vertrocknetes Gestrüpp, kaum Bäume, von Tischen keine Spur und ins Toilettenhäuschen will ich lieber nicht schauen. So günstig soll's dann doch nicht sein. Ein Typ an der Tanke gibt mir den Tipp, mein Zelt im Celilo Park aufzuschlagen, der nur etwa 12 Meilen entfernt ist. Schön gelegen, viele Bäume und sogar Restrooms mit fließendem Wasser. Und sogar umsonst. Klingt gut in meinen Ohren und so stelle ich nach meiner Ankunft im genannten Park fest, dass der Mann recht hatte, wenn nicht unmittelbar am Park eine gut befahrene Eisenbahnstrecke verlaufen würde. Aber okay, es gilt Abstriche zu machen.

Während ich mein Zelt aufbaue, komme ich mit James und Teri ins Gespräch, die schon seit ein paar Tagen hier campen. Prompt laden sie mich zu einem Apple Pie zu sich ein und es entwickelt sich ein sehr schönes Gespräch. Nun weiß ich auch, was ich die letzten Tage im Motel vermisst habe. Es ist klasse, wie unkompliziert viele Leute auf Campgrounds sind und wie schnell man ins Gespräch kommt.

Danke James und Teri, es war ein toller Abend! :-)




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Mittwoch, 11. Juli 2012

Die letzten 5 Tage: Ab in die Wüste

Samstag, 07.07.2012

Die Idaho Falls im Morgenlicht
Endlich wieder auf's Rad.
Zwar war es sehr angenehm, für eine Woche mit 4 Rädern zu reisen und die letzten Tage in Idaho Falls waren toll. Doch nun freue ich mich darauf, wieder in die Pedalen zu treten. Nachdem ich mein Gepäck einmal komplett reorganisiert habe, trinke ich mit Ron einem letzten gemeinsamen Kaffee. Danach heißt es Abschied nehmen.
Danke nochmal für alles! Ich habe mich bei Euch sehr wohl gefühlt. Bis zum nächsten Mal! ;-)




Nun geht's ab in die Wüste und dementsprechend heiß wird es auch werden. Daher starte ich bereits um 6:45 Uhr. Dass ich einige Zeit nicht auf dem Rad saß, lassen mich meine Knochen jedoch ein wenig spüren. Muss sich wohl erst alles wieder einspielen. Auch Jolly macht nicht gerade Freudensprünge, dass er wieder in die Lenkertasche darf.
Das anfängliche Glücksgefühl, verbunden mit der Hoffnung, dass mein Hinterteil und mein Sattel auf wundersame Weise zu einer homogenen Einheit verschmolzen sind, weicht nach einigen Meilen wieder der Ernüchterung, dass dies nur eine Wunschvorstellung war. Und auch mein linkes Knie signalisiert mir am Ende des Tages erneut, dass es "not amused" darüber ist, wieder in die Pedale zu treten. Pech! Wir sind ja hier nicht bei "Wünsch dir was". Da geht's jetzt durch! Sind doch nur noch etwa 1200 Kilometer bis Portland. :-)

Viel Gegend in alle Richtungen
Bereits gegen 11 Uhr brennt mir die Sonne mit einer erstaunlichen Energie auf den Helm und weit und breit ist kein Schatten auszumachen. Wie gut, dass ich kürzlich bei einer Rest Area meine Wasservorräte aufgefüllt habe. Damit komme ich nach 111 Kilometern in Arco an, wo ich mich im schlechtesten Motel der gesammten Tour einmiete. Donner und Dori! So mieß sah es von außen gar nicht aus.
Irgendwo hab ich mal gelesen, dass der Mensch im Laufe seines Lebens, eine bestimmte Anzahl von Spinnen und Ungeziefer während des Schlafens vertilgt. Nun, ich schätze in der kommenden Nacht wird's hier eine tolle Proteinkur geben. Jamjam. Aber ich bin ja nicht mehr so zimperlich, also Augen zu und durch!

Auf dem Parkplatz komme ich mit Jeremie ins Gespräch, der mich zu einem Bier einlädt. Er ist Arzt und gerade im kleinen örtlichen Krankhaus stationiert. Feiner Kerl, daher reicht unser Gesprächstoff auch noch für ein zweites Bier, bevor sich der Weltuntergang ankündigt. Ein heftiges Gewitter zieht über Arco hinweg und ich bin froh, dass ich meine ursprünglichen Pläne, heute zu campen, über den Haufen geworfen habe.


Sonntag, 08.07.2012

Ich musste Jolly die Nacht mit zu mir ins Bett nehmen. Der Arme ist vom Feuerwerk in Idaho Falls noch immer etwas traumatisiert, weswegen ihm das Gewitter wohl wieder die Erinnerungen hochgespült hat.

Ich verlasse Arco und mache nach einigen Meilen kurz beim Craters of the Moon National Monument halt, einer vulkanischen Landschaft mit weiten Lavafeldern. Durch den Park selber führt eine 9 Meilen lange Panoramastraße, die ich mit dem Auto auch sicher gefahren wäre. Bei dieser Hitze teile ich mir meine Kräfte aber doch lieber etwas ein und verzichte auf die Fahrt. Somit nutze ich meinen Besuch im Visitorcenter hauptsächlich um Wasser zu tanken, denn es wird schon wieder ziemlich heiß.



Weiter geht es, immer weiter durch die Wüste. Was in Minnesota die Mais- und Kornfelder waren, ist hier Geröll und Strauchwerk. Doch der Rückenwind schiebt mich den gesammten Vormittag sehr gut vorwärts, sodass ich spontan entscheide, nicht beim angedachten Campground zu halten, sondern noch bis nach Fairfield zu fahren.


Nun, ich hatte wohl damit gerechnet, dass mir der Wind auch nachmittags noch wohlgesonnen sein würde. Doch das war leider ein Schuss in den Ofen. Und so kommt zu der Hitze nun auch noch der Gegenwind. Durch die erhöhte Belastung wird der Schmerzsensor in meinem Knie auch gleich wieder angeregt, vermehrt Signale an mein Hirn zu senden. Ob das so eine gute Idee war?

Da es in dieser Gegend eigentlich keine andere Ost-West Verbindung gibt, ist der Highway recht stark befahren. Ist ja auch Sonntag. Und eine Shoulder ist so gut wie nicht vorhanden. Folglich darf ich teilweise wieder akrobatische Übungen vollziehen, um nicht unter die Räder zu gelangen.

Etwa 10 Kilometer vor Fairfield, gerade als ich wieder einem anderen Verkehrsteilnehmer wild gestekulierend klar mache, dass ich mit seinem Überholmanöver nicht einverstanden bin, scherrt einige Meter vor mir ein Wagen auf den Randstreifen. An der Handbewegung des Fahrers erkenne ich, er möchte mit mir in Kontakt treten. Fein! Der war zwar nicht gemeint, doch ich bin gerade so schön geladen, dass wir nun aufpassen müssen, dass hier nichts eskaliert. Angespannt halte ich neben dem roten Autochen und blicke in ein freundliches Gesicht Es ist Randy, der mir gut gelaunt die Hand schüttelt und mich direkt fragt, ob ich "warmshowers.org" kenne. Er ist dort angemeldet und bietet in Fairfield kostenlos ein kleines Häuschen an. Wenn ich Lust habe, kann ich dort pennen. Leicht verwirrt muss ich grinsen. Natürlich kenne ich diese Website, doch damit habe ich ja gerade mal gar nicht gerechnet. Da ich noch kein Plätzchen für die kommende Nacht habe, nehme ich diese Einladung natürlich dankend an.

Abgekämpft und stehend K.O. erreiche ich nach 148 Kilometern Fairfield. Randy wartet schon bei dem Gästehaus auf mich und zeigt mir alles. Er lädt mich auch noch auf ein Bier zu sich ein, doch das würde mir heute den Rest geben, weswegen ich, ein wenig traurig, dankend ablehne. Kurze Zeit später schaut noch seine Frau Laura vorbei und lädt mich für morgen früh zum Frühstück ein. Wow! Manche Dinge geschehen, wenn man am Wenigsten damit rechnet. Life's good :-)


Montag, 09.07.2012

Nach dem tollen Frühstück bei Laura lässt sich der neue Tag auf dem Radl etwas gequält an. Der gestrige Tag steckt mir noch spürbar in den Knochen. Dafür sind es aber auch nur knapp 100 Kilometer bis nach Mountain Home, meinem heutigen Tagesziel.

Hier in Idaho stoße ich immer wieder auf den ursprünglichen Verlauf des berühmten Oregon Trails. Er ist die erste und wohl auch bekannteste Route, auf dem die Siedler mit ihren Planwagen damals nach Westen gezogen sind, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Man kann sich nur schwer vorstellen, welche Strapazen das gewesen sein müssen, in dieser sengenden Hitze und nur mit den einfachsten Mitteln überleben zu müssen. An manchen Stellen finden sich noch Überreste alter Siedlungsbauten. Ich wandere also auf dem Pfad der Geschichte.

The Devils Dive :-)
So karg die Landschaft ist, so schön ist sie aber auch und ich lasse mich von dem leichten Rückenwind über die Hügel tragen. Zumindest bis kurz vor Mountain Home. Da muss ich leider die Richtung ändern und aus dem leichten Rückwind wird ein starker seitlicher Gegenwind. Über Meilen habe ich nun eine Downhill Passage vor mir. Ich habe das Gefühl, dass mit jedem Meter, den ich an Höhe verliere, die Temperatur überproportional ansteigt. Aus dem starken Gegenwind wird somit ein heißer starker Gegenwind. Wahnsinn!

Ich denke, in Mountain Home habe ich den heißesten Punkt meiner Tour erreicht. Ich halte im örtlichen Wal-Mart und laufe orientierungslos durch die Gänge, einfach um mir etwas Kühlung zu verschaffen, bevor ich mich im Hilander Motel einmiete.

Dunkler Rauch über Mountain Home
Am späten Nachmittag werde ich noch Zeuge eines Wildfires, welches direkt vor den Toren des Ortes ausgebrochen ist. Der Verkehr wird von der Interstate durch die Stadt geleitet und dunkle Rauchwolken verdecken die Sonne. Löschflugzeuge kreisen und später am Abend kriecht der Duft des Feuers sogar unter meiner Zimmertür durch.
Zwar stehen andere Heimbewohner, genau wie ich, etwas ratlos schauend vor ihren Zellentüren, doch der Inhaber erklärt uns, in seiner freundlich indischen Art, dass dies um die Jahreszeit ganz normal sei und die Feuerwehr das schon machen wird. Also, kann nix mehr passieren. :-)



Dienstag, 10.07.2012

Da mir mein Knie ein wenig Sorgen bereitet, lege ich heute einen Day Off ein und nutze die Zeit für meinen ersten amerikanischen Friseurbesuch. In Downtown Mountain Home finde ich Patsy's Hair Design, wo mir ein Haarschnitt für 12 Dollar angeboten wird. Ich komme sogar ohne Wartezeit direkt dran. Nun, ich lasse noch längst nicht Jeden an mein Haupthaar, doch ich bin auf einer Biketour, und da zählt nur der praktische Nutzen. Also Eitelkeit abgelegt und rein in den Laden. Ich meine, 12 Dollar für Schneiden und Waschen, günstiger bin ich noch nie zu einer kürzeren Frisur gekommen. Das Ambiente gleicht allerdings eher dem kargen Charme einer etwas zu groß geratenen Döneria. Auch ist für 12 Dollar nur der Grobwaschgang enthalten. Die Dame rubbelt mir den Schädel, als würde sie mir Hornhaut entfernen wollen. Nach gefühlten 20 Minuten ist die Sache gelaufen, frei nach dem Pit-Stop-Prinzip: "Rein, rauf, runter, raus". Das Ergebnis kann sich jedoch durchaus sehen lassen. Ich bin zufrieden und auch Jolly teilt meine Einschätzung der Lage.


Mittwoch, 11.07.2012

Nachdem ich Ann & Chuck, meine heutigen Gastgeber, gestern nochmal vertrösten musste, will ich sie heute jedoch nicht warten lassen. Über die Interstate 84 mache ich mich auf den Weg nach Boise. Konnte ich bisher geschickt alle Fahrten auf Interstates vermeiden, bleibt mir heute jedoch keine andere Wahl. Es führt nur dieser eine, geteerte Weg nach Boise. Die Fahrt ist jedoch nicht so schlimm wie ich zunächst vermutet hatte. Zwar rauschen hier die dicken Trucks mit einem Höllenlärm an einem vorbei, doch die Shoulder ist sehr breit und gut befahrbar. Viele Verkehrsteilnehmer weichen netterweise sogar auf die linke Spur aus, um mir einen größeren Überlebensspielraum zu geben. Da habe ich mich auf anderen Gassen schon erheblich unsicherer gefühlt.

Ein großes Problem ist jedoch der ganze Müll, der auf der Shoulder rumfliegt. Jede Menge zerfetzter Reifen und Teile der Karkasse mit dem dünnen Drahtgewebe, dass natürlich Gift für meine Pellen ist. Und so kommt, was kommen musste: Ich habe meine zweiten Platten. Toll! Auf der Interstate. Und kein vernünftiger Platz zum Reifen wechseln.

Ich mag mich mit dem Gedanken nicht so recht anfreunden und so versuche ich zunächst mal wieder einen Pickup Truck anzuhalten. Ich winke also hilfsbedürftig in den Verkehr hinein, doch man winkt mir nur freundlich zurück. Unglaublich! Was denken die? "Oh da steht ein netter Mensch mit einem Fahrrad auf der Interstate und winkt mir zu. Das ist aber freundlich. Winke Winke." Unfassbar.

Frei nach dem Motto "Einmal ist immer das erste Mal" habe ich heute also Premiere im "Reifen wechseln auf der Autobahn". Nach getaner Arbeit nehme ich die Straße wieder unter die Reifen, in der Hoffnung, mich nicht wieder in einem Drahtnetz zu verfangen.
Wieso lassen die den ganzen Müll hier rumliegen? Nach mir die Sintflut? Wird schon Jemand wegräumen? Ne! Räumt nämlich keiner weg!

Chuck, der Olli, Rebekah, Sarah
Wie eine Oase in der Wüste begrüßt mich die Hauptstadt Idahos. Entlang des "Boise Greenbelt" fahre ich, immer entlang des Flusses, quer durch die ganze Stadt, verweile an diversen Punkten und lasse die Umgebung auf mich wirken. Wirklich schön.

Ann erwartet mich schon. Vor über 20 Jahren ist sie aus der Fuldaer Region (unser hessisches Fulda) in die Staaten ausgewandert. Daher klappt die Verständigung auf anhieb, auch wenn ihr nicht mehr jedes Wort sofort auf Deutsch einfällt ;-)

Milow, mein neuer Spielkumpel
Zusammen mit ihren Kindern und ihrem Mann Chuck verbringen wir einen gemütlichen und sehr schönen BBQ Abend. Habe noch nie so große Steaks gegessen. Sehr lecker. Ich bekomme sogar noch eine Stadtrundfahrt, vorbei am Capitol.
Und ihr Hund Milow hat nach anfänglichen Berührungsängsten schließlich einen neuen Spielkumpanen gefunden. Der Kerl ist wirklich zu putzig. Wäre ich mit dem Auto da, würde ich ihn wohl klauen :-)

          



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Freitag, 6. Juli 2012

Die letzten 3 Tage: Independence Day, Birdwatching and Fly fishing

Ein richtiges Bett! Seit über einer Woche wieder ein richtiges Bett. Und dann auch noch so ein bequemes Exemplar. Eigentlich will ich gar nicht aufstehen, doch Ron ist unerbittlich. Es ist Independence Day! Um 9:00 Uhr ist die Parade und da wir zeitig da sein wollen, wird eben auch zeitig aufgestanden. Mit Kaffee und Banana Bread beginnen wir den Tag. Wir müssen beide schmunzeln, denn es erinnert uns an letztes Jahr, als wir am Campground den Tag ebenfalls so begonnen haben.
Ron und ich fahren zur Parade, während Mary noch zuhause bleibt, da sie das BBQ vorbereiten will. Sie kommt später nach.
Nun, die Parade ist schon ziemlich beeindruckend. Als Europäer, speziell Deutscher, stehst du da schon relativ ungläubig staunend und mit großen Augen rum, und weißt eigentlich gar nicht so recht, wohin mit dir. Wahnsinn :-)

          

          

Nach der Parade kehren wir nachhause zurück und gönnen uns eine kleine Auszeit, bevor gegen 13:00 Uhr die Gäste zum BBQ erscheinen. Insgesamt sind wir 11 Leute und es ist entwickelt sich zu einem sehr angenehmen Nachmittag. Auch wenn ich nicht alles hundert prozentig verstehe, klappt die Konversation doch besser als ich befürchtet hatte.

Eine weitere Tradition am 4. Juli ist das Baseball Game, zu dem mich Ron & Mary einladen. Die Mannschaft von Idaho Falls spielt zwar nicht in der ersten Klasse, doch immerhin in der untersten Profiliga. Mein erstes Baseball Spiel und Ron versucht beständig, mich mit den Regeln vertraut zu machen. Früher als geplant ist das Spiel bereits beendet, da die Heimmannschaft weit überlegen ist.

          

Bis zum letzten traditionellen Event, dem Feuerwerk, haben wir noch eine Stunde Zeit. Dennoch begeben wir uns bereits zum Ort des Geschehens, um einen vernünftigen Platz zu erhalten. Da das Feuerwerk wohl eines der größten diesseits des Mississippi ist, ist der Andrang entsprechend groß. Viele campen bereits seit dem Morgen am Flussufer, um die besten Plätze zu erhaschen. Was dann abgeht, habe ich in dieser Dimension in der Tat noch nicht gesehen. Über eine halbe Stunde lang brennt der Himmel über dem Snake River. Der örtliche Radiosender strahlt ein Programm aus, was mit dem Feuerwerk synchron verläuft. Aus tausenden mitgebrachter Radios erklingen die patriotischen Songs und machen so die Atmosphere perfekt. Ein langer Tag findet ziemlich lautes Ende.

          

Als wir nachhause kommen ist Jolly nicht da, wo ich ihn vermuten würde. Sämtliches Rufen und Suchen ist zwecklos. Jolly ist verschwunden. Naja, das Feuerwerk war ziemlich laut. Wahrscheinlich hat er sich in die letzte Ecke verkrochen. Ich gebe ihm noch ein wenig Zeit und gehe ins Bett.


Donnerstag, 05.07.2012

Als ich wach werde blicken mich zwei vorwurfsvolle Augen an. Jolly! Er sieht ein bischen aus wie Scrat aus Ice Age, nur etwas zorniger. Nachdem ich ihm aufrichtig versichert habe, dass es mir leid tut, lichten sich seine Zornesfalten und er nimmt schließlich meine Entschuldigung an. Olle Zicke :-)

Heute morgen fahren Ron und ich mein Rad zu einem örtlichen Bikeshop. Für die Reperatur der gebrochenen Speiche werden gerade einmal 16 Dollar, also umgerechnet etwa 13 Euro fällig. Wir müssten mal den Michael fragen, ob das in Deutschland auch zu diesem Preis zu haben ist. ;-)

Eigentlich wollte ich heute ein wenig ausruhen und meine weitere Tour planen, doch Glenn, der gestern auch beim BBQ war, rief an und fragte, ob wir nachmittags nicht zum Birdwatching wollen. Laut Ron ist Glenn ein ausgesprochener Spezialist auf diesem Gebiet und es ist ein Vergnügen mit ihm loszuziehen. Um ehrlich zu sein, kam ich bisher noch nie auf die Idee mir Vögel anzuschauen, aber irgendwann ist immer das erste Mal. Gesagt getan. Wir holen Glenn ab und machen uns auf den Weg zum nahe gelegenen Habitat. Unterwegs versuche ich unseren ollen deutschen Kaluer "Ich bin gut zu Vögeln" ins Englische zu übersetzen, muss dann jedoch feststellen, dass es keine adäquate Übersetzung gibt, welche die Doppeldeutigkeit unserer Sprache auch im Englischen wiedergeben würde. Also halte ich lieber meine Klappe. :-)

Glenn ist wirklich ein Meister seines Faches. Und obendrein ist er ein sehr humoristischer Zeitgenosse. Es war genau die richtige Entscheidung, unseren Nachmittag in dieser Form zu verbringen. Wieder einmal stellt man erstaunt fest, wie wunderschön die Natur doch ist, wenn man sich einfach die Zeit nimmt, um zu beobachten.
Thanks a lot Glenn! I enjoyed our trip very much! It was a perfect idea.


Freitag, 06.07.2012

Als ich Ron & Mary letztes Jahr kennenlernte, versprach mir Ron, dass er mir eine Exkursion im "Fly fishing" geben würde, sollte ich sie einmal besuchen kommen. Ich weiß nicht, ob er sich noch daran erinnert hat. Ich konnte mich sehr gut erinnern und somit komme ich heute gerne auf dieses Angebot zurück. :-)

Unsere Fahrt führt uns an den "Warm River", einige Meilen nordöstlich von Idaho Falls gelegen. Nachdem ich in die grundsätzliche Vorgehensweise beim Fly fishing instruiert wurde, darf ich einige Trockenübungen absolvieren. Ron macht sich einen Spaß daraus, mir wie ein "drill sergeant", entsprechende Befehle zuzurufen. "ten o'clock! two o'clock! ten o'clock! two o'clock! pretty simple!" :-) Wobei hiermit der Vor- und Rückwurf des Rutenarms gemeint ist, um immer mehr Schnurr von der Rolle zu geben und den Köder schließlich auf dem Wasser zu platzieren.
Gar nicht so einfach, vor allem unter Hochspannungsleitungen. Doch schließlich habe ich diesen Teil bestanden und wir machen uns auf in die Fischgründe.

Man merkt Ron an, dass er in seinem Element ist. Voll ausgerüstet sieht er mit seiner Anglerweste aus, wie ein Hijacker, der sich jeden Moment in die Luft sprengen will. Neben ihm sehe ich wahrlich aus wie ein Anglertourist. :-)
Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich hätte nicht gedacht, dass das einen solchen Spaß machen kann. Obendrein gehen mir doch tatsächlich auch 3 Fische an die Leine! Ich vermute ja noch immer, dass das reiner Zufall war oder sie sich einfach verschwommen haben. Wie dem auch sei, mein Herz ist zu weich, als dass ich etwas Anderes mit ihnen machen könnte, als sie wieder zurück in den Fluss zu entlassen. Am Ende des Tages haben wir zwar nichts zu Essen, doch dafür einen tollen Tag gehabt und so gehen wir zusammen mit Mary in einen Carl's Junior :-)

          

Thanks Ron for your patience. I had a blast! Next time it's my job to let the fish off the hook ;-)

Ziemlich geschlaucht falle ich abends ins Bett. Dabei waren wir doch "nur" zum fly fishing. Da ich morgen ziemlich früh starten will, Mary jedoch noch nicht so zeitig aufstehen möchte, verabschieden wir uns schon heute Abend.

Thank you so much Mary for your hospitality, the delicious meals and the icecream bomb of course. ;-) By the way: I forgot the recipe...