Montag, 16. Juli 2012

Die letzten 5 Tage: Flat tires

Donnerstag, 12.07.2012

Da mein Knie einfach keine Ruhe geben will, haben wir gestern beschlossen, dass Ann & Chuck mir heute noch etwas "Starthilfe" geben; bzw. Ann hat mir das nahe gelegt. ;-) Meine ursprünglich geplante Route quer durch Oregon, hält sie für zu schwierig und vor allem, für zu heiß. Ich solle lieber entlang des Columbia River bis Portland fahren, da es dort deutlich weniger hügelig ist und es angenehmere Temperaturen hat. Das ist schon ein wenig frustrierend. Für so lange Zeit hatte ich mit dem Knie keine Probleme, dafür nun umso mehr. Letztendlich sehe ich es ein wenig gefrustet ein und stimme der Starthilfe zu.

Wir beladen den Wagen und die Beiden fahren mich von Boise nach Pendleton in Oregon. In Baker City halten wir zwischenzeitlich bei einer Art Museum über den Oregon Trail, der direkt hier entlang führt. Toll gemacht und gute Informationen über die damaligen Gegebenheiten und Strapazen, denen sich die Siedler ausgesetzt haben. In Pendleton angekommen werde ich bei einem Motel 6 abgeladen. Anschließend gehen wir in Downtown Pendleton noch einen saftigen Burger essen, bevor die Beiden die Rückreise antreten. Die von Ann prophezeiten kühlerern Temperaturen müssen wohl noch unterwegs sein, denn irgendwie ist es hier heißer als in Boise. ;-)

Was soll ich sagen: Viele vielen Dank Ann & Chuck, sowohl für die tolle Gastfreundschaft, als auch für die Fahrt. Ich sehe es zwar ein, dass es für das Knie besser ist, doch so richtig toll fühle ich mich nicht. Ich wollte das aus eigener Kraft schaffen! ;-) Auf jeden Fall hoffe ich, dass wir uns wiedersehen!

Den Rest des Tages verbringe ich damit, meinen Ärger über mein Knie zu unterdrücken und meine weitere Strecke zu planen. Bis Portland sind es nun etwa 350 Kilometer, bis zur Küste nochmal weitere rund 150 Kilometer. Eigentlich sollte Portland mein Ziel sein, doch dadurch, dass ich nun vor dem Zeitplan liege, werde ich bis an den Pazifik fahren, auch wenn das bedeutet, nochmal eine Gebirgskette zu überqueren. Das Knie wird das aushalten müssen. Ende der Diskussion.


Freitag, 13.07.2012

Da ich es mir zeitlich nun erlauben kann, lege ich heute kurzentschlossen noch einen Day off ein. So gesehen hätte ich auch noch einen weiteren Tag bei Ann & Chuck bleiben können, was bestimmt auch Milow gefreut hätte. Und es wäre ganz sicher spassiger gewesen. Aber wieder einmal sind wir hier ja nicht bei "Wünsch dir was". Daher verbringe ich den Tag in Pendleton, was nebenbei bemerkt, sehr bekannt für seine Rodeos ist. Am heutigen Tag ist jedoch keine Veranstaltung. Wäre ja auch zu schön gewesen.


Als ich wieder im Motel ankomme, klebt Jolly mit der Nase an der Scheibe des Motelzimmers. Überflüssig zu fragen, was er da treibt, denn vor dem Nachbarzimmer steht ein Pickup Truck, mit einem Wauzi auf der Ladefläche. Wenn ich 1 und 1 zusammenzähle, scheint das ein Mädchen zu sein, denn bei Milow war er nicht so interessiert. Er wird sich doch nicht gerade verlieben...


Samstag, 14.07.2012

Ein weiterer Ritt auf der Interstate steht an, der jedoch recht ereignislos verläuft. Rund 75 Kilometer geht es kerzengerade durch die Wüste. Ohne einen Platten komme ich am frühen Nachmittag in Boardman an, wo ich mich im Roadway Inn einmiete.

Vor meiner Zimmer, ich empfinde dieses übrigens als das beste Zimmer der gesamten Tour, komme ich mit Jerome ins Gespräch, der gerade dabei ist, seinen Truck sauber zu machen. Jerome arbeitet bei General Electric und stellt überall im Land die Windturbinen auf. Da er ein sehr mitteilungsbedürftiges Kerlchen ist, bin ich nun ein wandelndes Turbinenlexikon.
Für diejenigen unter uns, die Uwe M. noch kennen: Jerome ist eine fast exakte Kopie in Mimik und Emotion, faszinierend! In Anlehnung an Uwe's legendäres "hmpf, Notes" entgegnet mir Jerome auf meinen Hinweis, dass ich noch bis zu Küste fahren will, da es dort sicher traumhaft ist: "hmpf, just water". Weltklasse :-)
Uwe, falls Du hier noch mitließt, nix für ungut, aber das war atemberaubend!

Den restlichen Nachmittag verbringe ich am Columbia River und gönne mir abends im örtlichen Restaurant einen Chickenburger mit Pommes. Das Preis-Leistungsverhältnis ist bei diesem Exemplar jedoch in einer derartigen Schieflage, dass es fast schon wieder komisch ist. Aufgrund meines etwas verhandlungsunsicheren englischen Vokabulars, sehe ich jedoch von einer Beanstandung ab.



Sonntag, 15,07.2012

Es wurde gestern bereits angekündigt, dass heute ein windiger Tag werden soll, was per se erstmal nichts Schlechtes ist. Nur ist es in meinem Fall extrem hinderlich, da das Lüftchen aus der falschen Richtung kommt. Und der Begriff "Wind" verfehlt den Kopf des berühmten Nagels auch um einige Meter. Es ist die heftigste Luftbewegung, der ich mich, seit meinem Start in New York, ausgesetzt sehe. Für die 5 Kilometer von meinem Hotel zu einer Rest Area brauche ich eine halbe Stunde. Ich komme kaum mit 10 km/h vorwärts, was den Spaß des Unterfangens deutlich einschränkt. Aber was soll's, so sind die Bedingungen nunmal, also reite ich mal weiter.
Gerade als ich von der Rest Area zurück auf die Interstate fahre, bemerke ich ein etwas schwammiges Verhalten der Vordergabel. Ich halte an, schließe die Augen, atme langsam und tief ein und lasse die Luft wieder komplett aus meinen beiden Lungenflügeln entweichen. Erst jetzt öffne ich die Augen wieder und schaue gefasst auf mein Vorderrad. Was ich dort sehe erstaunt mich nun nicht mehr übermäßig. Flat tire No. 3!
In diesem Moment muss ich an Ann denken. Hatten wir doch extra noch den "Green Slime" gekauft, welcher die Reifen von innen abdichten soll. Leider steht die Tube noch so wie wir sie gekauft haben in Boise. :-(

Offensichtlich scheint es sich nur um ein kleines Loch zu handeln, denn die Luft ist nicht komplett raus. Ich pumpe den Reifen nochmal auf und in der Tat verliert er nur langsam an Luft. Wenig motiviert, hier wieder einen Reifenwechsel vorzunehmen, fahre ich zu nächsten Ausfahrt und... ...zurück nach Boardman. Kommentar überflüssig. Das ist heut nicht mein Tag. An der Ausfahrt pumpe ich den Reifen jedoch nochmal so voll, wie das mit meiner kleinen Pumpe eben möglich ist.
Als ich über die Brücke fahre und auf die Gegenfahrbahn einbiege, habe ich das Gefühl, von einer Art Sog erfasst zu werden. Wahnsinn wie das hier pfeift. Mit über 40 km/h fegt es mich zurück nach Boardman. Wind ist schon was Tolles, wenn er aus der richtigen Richtung pfeift.

Angela, die Hotelmanagerin, schaut mich etwas fragend an, als ich plötzlich wieder vor ihr stehe. "You forgot something?" fragt sich mich. Ich erkäre ihr, dass das heute aufgrund des Windes ein ziemlich schlechter Tag sei, um vernünftig vorwärts zu kommen und ich überflüssigerweise auch noch einen Platten hätte. Ob ich noch eine weitere Nacht hier bleiben könne.
Offensichtlich habe ich mit meinem Hundeblick ihren Mutterinstikt geweckt, denn sie bietet mir an, das Zimmer zu einem Bruchteil des eigentlichen Preises zu beziehen. Das sei ihr Support für meinen Trip. Ist das nicht toll?! Erfreut und gleichzeitig gerührt nehme ich ihr Angebot vielfach dankend an. Life's good :-)

Gerade als sie die Formalitäten erledigt, kommt ihr Kollege rein. "Hey man what's up! Two flats! Very bad." Überrascht gebe ich zurück: "No just one flat!" und gehe nach draußen, um die Hiobsbotschaft zu prüfen. Tatsächlich! Da steht mein Schmuckstück ohne Luft in beiden Pellen. Was soll mir dieser Tag sagen?
Angela erkärt mir, dass in diesem Gebiet viele kleine Dornen rumfliegen und checkt meine Reifen. Und in der Tat. Im Hinterrad steckt eine dieser Dornen. Ob ich denn nicht den "Green Slime" verwenden würde, der dichtet solch kleine Löcher ab. Nun, ich denke ich werde mir diesen gleich heute besorgen.


Montag, 16.07.2012

Reifen sind geflickt, Green Slime ist eingefüllt, von nun an sollte, zumindest bei den Reifen, nichts mehr schief gehen. Mein Weg führt mich auf der Interstate immer entlang des Columbia River, der an vielen Stellen so breit ist, dass man das Gefühl hat, an einem See zu sein. Von dem gestrigen starken Gegenwind ist heute nichts mehr übrig. Im Gegenteil, ich habe sogar leichten Rückenwin.
Es ist ein toller Tag, kein Wölkchen weit und breit, sehr warm aber nicht heiß und der Verkehr hält sich auch in Grenzen, sodass auch die meisten Trucks brav auf zweite Spur ausweichen.

Am frühen Nachmittag mache ich in einem kleinen Park am Fluss halt. Sehr idyllisch gelegen, sodass ich hier gerne campen würde, auch wenn ich eigentlich noch ein paar Meilen fahren könnte, denn mein Knie hält sich heute erfreulicherweise zurück.
Mit meinem Hundeblick komme ich beim hiesigen Parkranger jedoch nicht weit. Auf meine Frage, ob ich denn auf der schönen Grünfläche (die eigentlich nur für den Gebrauch tagsüber bestimmt ist) kostenlos mein Zelt aufschlagen könne, entgegnet dieser recht knapp: "No sir. Either you can go to the campground for 14 Dollars or you can camp a few miles down the river at John Day Dam for free."

Nun, damit is meine Entscheidung klar und ich schaue mir den "Campground" am John Day Staudamm an. Schnell wird jedoch klar, dass ich hier nicht glücklich werde. Vertrocknetes Gestrüpp, kaum Bäume, von Tischen keine Spur und ins Toilettenhäuschen will ich lieber nicht schauen. So günstig soll's dann doch nicht sein. Ein Typ an der Tanke gibt mir den Tipp, mein Zelt im Celilo Park aufzuschlagen, der nur etwa 12 Meilen entfernt ist. Schön gelegen, viele Bäume und sogar Restrooms mit fließendem Wasser. Und sogar umsonst. Klingt gut in meinen Ohren und so stelle ich nach meiner Ankunft im genannten Park fest, dass der Mann recht hatte, wenn nicht unmittelbar am Park eine gut befahrene Eisenbahnstrecke verlaufen würde. Aber okay, es gilt Abstriche zu machen.

Während ich mein Zelt aufbaue, komme ich mit James und Teri ins Gespräch, die schon seit ein paar Tagen hier campen. Prompt laden sie mich zu einem Apple Pie zu sich ein und es entwickelt sich ein sehr schönes Gespräch. Nun weiß ich auch, was ich die letzten Tage im Motel vermisst habe. Es ist klasse, wie unkompliziert viele Leute auf Campgrounds sind und wie schnell man ins Gespräch kommt.

Danke James und Teri, es war ein toller Abend! :-)




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