Da Gammeln bekanntlich müde macht, liege ich bereits zeitig in der Kiste und lass mich vom Weather Channel berieseln.
Nachdem ich mit Patrick gestern via Facebook ausgemacht habe, dass ich gegen 6 Uhr abends bei ihm bin, hab ich heute morgen keine Eile. Für 90 km muss ich nicht schon um 8 Uhr auf der Straße sein. So ziehe ich mir hier genüßlich dass völlig übersüßte Continental Breakfast rein und beginne gegen 10 Uhr meinen Kampf gegen den Wind. Der hat's heute in sich und bereits auf den ersten Meilen vermisse ich meinen Flügelmann. Spätestens jetzt weiß ich Nigel's Windschatten zu schätzen. Und als ob das nicht reicht, ist Wisconsin deutlich hügeliger als Michigan. Meine "Rollin-Hills" sind wieder da. Da ich schon relativ frustiert bin, beschließe ich, dass heute ein guter Tag ist, um das anzunehmen was ist. Denn was ist, das ist ja bereits. Es bringt nichts mit dem Wind und den Hügeln zu hadern, denn sie sind nunmal da. Was soll ich sagen, es funktioniert. Meine Stimmung bessert sich zusehends.
Welch Magie...
Inzwischen sieht es hier nicht mehr nur so aus wie zuhause. Ich habe das Gefühl durch ein Wurmloch direkt nach Landenhausen katapultiert worden zu sein. Inklusive Kalkwerke Meister (links im Bild) und Otterbein (rechts hinten). Welch Magie...
Dieser Teil von Wisconsin scheint mir ziemlich deutsche Wurzeln zu haben. Ich komme durch Orte wie "New Holstein" und "Kiel" und auf Briefboxen lese ich Namen wie "Hansen".
Für einige Meilen muss ich einen stark befahrenen Highway nehmen. Dieser hat zwar eine ganz gut ausgebaute "Shoulder", doch das Zusammenspiel zwischen Seitenwind und vorbeirauschenden Trucks ergibt teilweise so derbe Sogwirkungen und Verwirbelungen, dass ich aufpassen muss, nicht im Graben zu landen. Ein zweifelhaftes Vergnügen und ich muss mit meiner Geduld kämpfen. Ich bin froh, als ich nahe Fond du Lac (gesprochen "Fändläc"), meinem heutigen Tagesziel, auf einen Radweg abbiegen kann. Da es erst 4 Uhr ist, verbringe ich meine Zeit noch am kleinen Hafen und dem angrenzenden Park am Lake Winnebago.
Am kleinen Hafen von Fond du Lac |
Patrick hat mir gestern angeboten, mit mir nach Appleton zu fahren, um den "Inner Sleeping Bag" (eigentlich ein "Sleeping Bag Liner") zu besorgen. Vorausschauend hat er dort schon angerufen und ein Exemplar zurücklegen lassen. Anschließend gehen wir noch in einem "Chili's" was essen, dem ersten auf meiner Tour. Für mich gibt's heute jedoch "nur" einen Salat. :-)
Der Künstler mit seiner Takamine |
Eine Paula! :-) |
Als ich aufwache weiß ich erstmal gar nicht wo ich bin. Boah hab ich gut gepennt. Ich würde mich eigentlich gerne wieder umdrehen, doch es ist schon halb 8 und ich will noch ein paar Meilen fahren. Ziemlich zerstört taste ich mich in den Wohnbereich vor, wo Pat mich bereits von seinem Sessel aus angrinst. Bobby ist schon früh zur Arbeit, doch Patrick hat sich heute den Tag frei genommen, um mit mir die ersten Meilen des heutigen Tages zusammen zu fahren. Vorher macht er uns jedoch ein leckeres Frühstück und wir genießen den Kaffee auf der Veranda. Es ist ein Genuß mit Pat über Gott und die Welt zu quatschen. Wir funken einfach auf dem gleichen Kanal. So kommt es, dass die Zeit wegfliegt und wir erst kurz vor Mittag auf die Straße kommen.
Von Fond du Lac aus fahren wir gemütlich einen Bike Trail bis Rosendale, wo wir uns verabschieden. Sagte ich bereits, dass wir auf dem gleichen Kanal sind? Deswegen stehen wir in Rosendale noch eine weitere geschlagene Stunde, bis wir dann wirklich getrennte Wege fahren. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir jedoch noch nicht, dass wir uns heute nochmal sehen werden.
Da der Tag bereits vorangeschritten ist (und weil mich der Grgenwind und Verkehr nervt), lasse ich es etwas ruhiger angehen und fahre heute insgesamt nur etwa 50 Kilometer bis zu einem Campground am Green Lake. Ich werde dafür morgen ein paar mehr Meilen demmeln. Zwischenzeitlich schwenke ich für ein paar wenige Meilen in nördliche Richtung und habe somit tollen Rückenwind. Wahnsinn! Unbeschreiblich! Genial! Wenn ich mir vorstelle, dass ich nur solchen Rückenwind hätte, wenn ich die Tour in entgegengesetzter Richtung fahren würde. Die Meilen würden nur so dahin fliegen. Aber ich fahre nicht in entgegengesetzter Richtung! Ende, aus, Micky Maus! Ich tröste mich mit der Gewissheit, dass Lewis & Clark Amerika auch nicht von West nach Ost entdeckt haben.
Am Campground ist angenehm wenig los und so kann ich mir in Ruhe ein Plätzchen aussuchen, nicht weit vom See entfernt. Bereits jetzt bemerke ich das hohe Aufkommen an fliegendem Mistgeviech. Na das kann ja lustig werden. Während ich damit beschäftigt bin, meine Behausung zu errichten, kommt ein Wagen um die Ecke gebogen, dessen Insassen mir im Bruchteil einer Sekunde sehr bekannt erscheinen. Bevor mein Hirn diese Information jedoch genauer analysieren kann, ertönt aus dem Wagen schon ein "Ey buddy!". Pat & Bobby :-)
Etwas überrascht, doch noch mehr erfreut, bin ich leicht sprachlos. Was machen die Beiden denn hier und vor allem, wie haben sie mich gefunden? Bobby kommt mit mir vertrauten Utensilien auf mich zu und überreicht mir mein Duschgel & Shampoo, was ich bei ihnen vergessen habe! :-) Sie wollten sowieso in Green Lake Pizza essen gehen und da es nicht so viele Campgrounds in der Gegend gibt, haben sie einen Versuch unternommen. et voilá :-)
Darüber hinaus laden sie mich ein, mit ihnen Pizza essen zu gehen. Klar dass ich das nicht ablehne.
Thank you Pat and Bobby for everything. I had a terrific time with you. Wish we had more time together. Should I ever be back in the area, I will definitely knock on your door. And should you find your way to Germany someday, you are very welcome! Would be a pleasure to see you again in this life. :-)
Pat hat unsere Zeit mit schöneren Worten beschrieben und auch die Bilder gemacht, die ich heute leider vergessen habe: http://cyclelust.blogspot.com/2012/06/friendship-is-born.html
Gefahrene Kilometer
letzte 3 Tage: 143 km
insgesamt: 1970 km
Größere Kartenansicht