Dienstag, 12. Juni 2012

Die letzten 3 Tage: Nach 1712 km am Lake Michigan

Along the way
Heute morgen mache ich mir mein erstes eigenes Oatmeal und schwinge mich gegen 10:00 Uhr auf die Straße. Sonnig und warm ist es und ich scheine in einer ganz guten Form zu sein, denn das Radl pedaliert sich recht fluffig. Von Clare bis Reed City fahre ich wieder auf einem alten Railway-Trail, der geteert und super zu befahren ist. Meilenweit begegnet mir hier kaum eine Menschenseele. Bei dem traumhaften Wetter kommt mir die Idee, dass ich mal oberkörperfrei Fahren könnte, damit sich der Kontrast zwischen Kopf/Armen/Beinen und dem Rest merinerds "Bodys" nich ganz so stark entwickelt. Nach einigen wenigen Meilen gebe ich das Vorhaben jedoch auf, da zu viele Stechviecher unterwegs sind, die meinen Rücken penetrieren. Also Shirt wieder an und den Kontrast Kontrast sein lassen.

Nudelsüppsche
Relativ früh, gegen 16:00 Uhr, komme ich an meinem geplanten Campground im Leverenz Lake State Forest an. Ich überlege kurzfristig, ob ich die restlichen etwa 55 Kilometer bis nach Ludington noch fahren soll. Dann könnte ich morgen zusammen mit Nigel auf die Fähre. Der ist nämlich heute bei Juliann, meiner morgigen Warmshower-Übernachtung. Da ich allerdings schon knapp 100 Kilometer auf dem Buckel habe, verwerfe ich diesen Gedanken und richte mich auf dem ziemlichen einsamen Campground häuslich ein. Da er direkt am See liegt, sind wieder einige Blutsauger unterwegs, die inzwischen mehr als lästig sind. In Ermangelung geeigneter Alternativen stehe ich teilweise wild fuchtelnd im Gehölz und trage so sicherlich zur Erheiterung der anwesenden Waldbewohner bei.

Krankenwagenfahrer beim Angeln!?
Abends am Lagerfeuer bekomme ich Besuch der tierischen Art. An Rascheln im Unterholz habe ich mich ja schon gewöhnt, doch als ich mit meiner Stirnlampe die Umgebung ausleuchte, leuchten mich aus dem Wald zwei Augen an. Die Umrisse deutend kann ich erkennen, dass das Etwas für ein Eichhörnchen zu groß und für einen Bären zu klein ist. Das lässt mich einigermaßen gleichmäßig weiter atmen. Da es ein neugieriges Etwas ist, steuert es frohen Mutes auf mich zu. Vorsorglich bewaffne ich mich mit einem Stock, als ich sehe, dass es ein Waschbär auf der Suche nach Futter ist. Geradewegs steuert der Kollege auf mein Fahrrad und die dortigen Packtaschen zu. Da dort Futter zu finden ist, ich dieses jedoch für mich haben möchte, schneide ich ihm den Weg ab.

Etwas fragend schaut mich "Rocco" an (ich habe entschieden, dass es ein "Er" ist und ihn nach meiner damaligen Begegnung benannt). Für den Moment reicht das aus und er trollt sich seines Weges. Allerdings taucht er den ganzen Abend immer wieder in meinem Dunstkreis auf und ich muss ihn mehrmals ermahnen, sich sein eigenes Fresschen zu suchen. Als ich mich später im Zelt einrolle, dauert es nicht lange, bis ich ihn draußen auf dem Tisch an den leeren Bierdosen werkeln höre. Wie gut dass ich die Packtaschen diesmal mit ins Zelt genommen habe.


Allmorgendliches Chaos
Am nächsten Morgen stehe ich zur Abwechslung mal sehr zeitig auf, da für heute Thunderstorms angekündigt sind und ich in Ludington sein möchte, bis diese eintreffen. Letztendlich ist es wie so oft. Außer ein paar dunklen Wolken passiert nichts weiter. Die ersten Meilen schickt mich mein Navi über eine Straße, die eigentlich nicht als solche zu bezeichnen ist, da ein Schotter-/Feldweg. In Verbindung mit den fießen Querrillen (Waschbrettpiste), macht das Fahren hier ganz besonders Spaß. Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit wieder um meine Reifen. Doch die guten Conti-Pellen halten! :-)


Ich erreiche Ludington bereits am frühen Nachmittag. Da Juliann, meine heutige Warmshower-Gastgeberin, jedoch erst abends von der Arbeit kommt, treibe ich mich ein wenig in der Stadt rum, sitze am Lake Michigan und faulenze etwas. Erst jetzt realsiere ich, dass ich am Lake Michigan angekommen bin, morgen den Staat Michigan hinter mir lasse und in eine neue Zeitzone segeln werde. 1712 km von Cedar Grove, New Jersey nach Ludington, Michigan. Wow! Etwas stolz lehne ich mich zurück und lasse die Szenerie auf mich wirken.


Als ich am Haus von Juliann eintreffe, ist sie noch nicht da, dafür empfangen mich jedoch ihre Eltern, die gerade zu Besuch sind. Wie immer bei meinen bisherigen Warmshower Erfahrungen werde ich dazu ermutigt, mich wie zuhause zu fühlen. Also nehme ich ein warme Dusche und kümmere mich anschließend etwas um mein Rad.
Juliann hat eine Mitbewohnerin: Jasmine. Ein schmusiges Katzenmädchen. Wir beide sind von Anfang an ein Arsch und ein Deckel. Juliann meint dazu: "New best friends" :-)
Gemeinsam sitzen wir abends auf der Veranda und quatschen über Gott und die Welt. Zumindest versuche ich das, da mir meine Englisch-Kenntnisse heute wieder einen Streich spielen. Teilweise bin ich derart am Stammeln und Vokabeln Sortieren, dass es fast peinlich ist. Auch wenn Juliann das anders sieht.

Auch wenn die Zeit recht kurz war, vielen Dank Juliann für Deine offene, unkomplizierte Art und dass alles so kurzfristig geklappt hat. Und ich hoffe, dass Google Translate keinen "Garbage" ausspuckt ;-)

Ich weiß nicht wen Jasmine lieber hat, mich oder Jolly. Jedenfalls hat sie die Nacht bei uns verbracht. Jolly hat sich gestern übrigens das erste Mal wieder aus seinem Versteck gewagt, nachdem ich ihm schriftlich versichert habe, dass der Engländer weg ist. Dem hat er nämlich nicht getraut :-)

Da die Fähre nach Wisconsin um 9:00 Uhr ablegt, verabschieden wir uns und machen uns auf den kurzen Weg; ist nämlich nur wenige Blocks entfernt.

Es ist ein toller Tag. Angenehme Temperaturen, die Sonne strahlt vom Himmel und es ist kein Wölkchen zu sehen. Perfekte Bedingungen für eine gemütliche Seefahrt. Und so genieße ich die Fahrt auch sehr. Die S.S. Badger ist die letzte Passagier-/Autofähre der USA, die noch mit Kohle betrieben wird. Das gute Stück hat also schon ein paar Jahre auf dem Buckel.

Während der Fahrt plaudere ich mit Ron, dem Rentner, der mir viel über seine ehemalige eigene Firma erzählt, Steve, der jahrelang auf Containerschiffen auf dem Lake Michigan unterwegs war und mit Ryan und seiner Familie. Es ist schon toll wie einfach man mit Leuten in Kontakt kommt, wenn man mit dem Rad unterwegs ist.

In Wisconsin angekommen, mache ich mich auf den Weg zu einem Sportgeschäft, um mir ein dünnes Innenfutter für den Schlafsack zu besorgen, um diesen etwas zu schonen. Leider haben sie nicht das, was ich suche.

Dafür komme ich mit Patrick in ein sehr nettes Gespräch, was sich über eine Stunde ausdehnt. Er und seine Frau planen für nächstes Jahr eine längere Auszeit, um ebenfalls mit dem Rad quer durch die Staaten zu fahren. Wir haben also viel Gesprächsstoff. Schließlich tauschen wir noch die Facebook Daten aus, um in Kontakt zu bleiben.





Da mein Knie noch immer Probleme macht, beschließe ich, mir morgen noch einen Day off zu gönnen. Daher such ich mir in Manitowoc ein Motel und widme mich meiner Lieblingsbeschäftigung: Wäsche waschen :-)
 

Gefahrene Kilometer
letzte 3 Tage: 276 km (100 km Fähre, 176 km Fahrrad)
insgesamt: 1827 km





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