Sonntag, 3. Juni 2012

Die letzten 3 Tage: Unter falscher Flagge

Ich bin an einem Stück aufgewacht. Das bedeutet, meine Mitbewohner sind schonmal keine Kanibalen. Oder sie haben einfach nicht bemerkt, dass ich da bin.
Meinen verregneten Day off verbringe ich größtenteils bei den Jungs im Cafe. Plötzlich steht Nigel im Raum, den ich in Niagara Falls kennengelernt habe. Er hat den heutigen Ostwind genutzt, um herzukommen, damit wir ab morgen zusammen weiterfahren können. Da er Engländer ist, macht ihm der Regen naturgemäß nichts aus. Er pennt mit in meiner Bude, was den Preis für mich gleich um 50% drückt. Abends gehen wir im Ort noch was essen und polieren die Deutsch-Britische Freundschaft auf.

Am nächsten Morgen macht uns Nigel Frühstück. Es gibt Oatmeal (Haferflocken) mit Ahornsirup. Ist zwar nicht das, was ich normalerweise frühstücken würde, jedoch lasse ich mir sagen, dass das gutes Bikerfrühstück ist, was uns weit vorantreiben wird. Leider merke ich unterwegs nicht viel davon. Das nasse Wetter und der starke Gegenwind machen mir zu schaffen. Das ist definitv mein schlechtester Tag, seit ich in Cedar Grove gestartet bin. Ich versuche mich in Nigel's Windschatten zu halten und bin dennoch ziemlich am kämpfen und teilweise kurz davor, vor Verzweiflung in Nigel's Union Jack zu beißen.

Überhaupt bin ich hier irgendwie unter falsche Flagge unterwegs. Der Union Jack und die kanadische Flagge zieren Nigel's Fahnenmast. Nur wo kriege ich in dieser Einöde eine kleine deutsche Flagge her?

In Port Rowan treffen wir auf eine Police Officerin von der Nigel unbedingt ein Foto haben will und schließlich auch bekommt. Fortan ist er den Rest des Tages von Glück beseelt. Ich habe den Eindruck, er hat sich verknallt :-)


In Port Bruce finden wir einen kleinen Park mit Pavillion direkt am Meer. Nigel tut diesen direkt als unser Nachtquartier auserwählen, da wir so nur das Innenzelt aufbauen müssen. Eine wahrlich gute Idee. Bei Rob, der ursprünglich aus Holland stammt und hier nun einen kleinen Imbiss direkt am Meer hat, bestellen wir uns Abendessen. Ich lasse mir einen Baconburger schmecken. Anschließend bekommen wir vom Kaffeebesitzer nebenan jeder einen Kaffee spendiert und er schaltet für mich sogar das WLAN frei, damit ich Schatzi Liebesgrüße schicken kann :-) Kurz danach heißen uns April und ihr Hund Tucker auf's Herzlichste Willkommen und ich habe Gelegenheit, meinen fortgeschrittenen Hass auf die Vierbeiner ein wenige beizulegen. Zusammen mit ihr und dem Cafebesitzer (uns ist leider der Name entfallen), sitzen wir noch lange unter dem Pavillion, beobachten den Sturm und haben tolle Gespräche, während April uns mit Bier versorgt. Einfach toll!

Als ich gegen 7:00 Uhr langsam wach werde, sind die Fischer um uns herum bereits redlich damit beschäftigt, ein paar Fische aus dem aufgewühlten Lake Erie zu ziehen. Ein Fischer kommt kurzzeitig mit uns ins Gespräch, doch weder Nigel noch ich legen sonderlich Wert darauf. Als er erfährt, das ich aus Deutschland bin, stellt sich heraus, dass seine Frau ebenfalls Deutsche ist. Auf meine Frage woher sie stammt, meint er nur, dass er das nicht weiß, obwohl sie es ihm schon oft gesagt hat. Dass er seine Frau sehr lieben muss stelle ich in den Raum, woraufhin er entgegnet: "Oh year, I like her". Dass das eigentlich nur eine Parodie auf seine Dämlichkeit sein sollte, merkt der Trottel natürlich nicht. Nach einem Frühstück bei Rob dem Holländer - es war witzig mit ihm zu quatschen - machen wir uns auf den Weg.

Trotz des Windes kommen wir recht gut voran und fahren gegen Nachmittag entlang zweier Gewitterzellen, was mir überhaupt nicht gefällt. Nigel hat jedoch die Fähigkeit, meine Bedenken immer wieder zu zerstreuen. Als die Wolken schließlich bedrohlich über uns hängen, erreichen wir den Wildwood Campground und treffen zufälligerweise auf Ken, der gerade mit seinem Golfcart spazieren fährt. Wir kommen mit ihm ins Gespräch und er bietet uns an, unsere Zelt neben seinem Häuschen auszuschlagen. Er wohnt mit seiner Frau 6 Monate lang auf diesem Campground und die andere Hälfte des Jahres in Texas. Gerade als wir dort ankommen, bricht das Unwetter los. Was für ein Timing :-)

Da sein Nachbar zur Zeit nicht da ist und er das Häuschen verwaltet, dürfen wir uns mit unseren Luftmatratzen dort auf dem Boden breit machen und sogar die Dusche benutzen, auch wenn der Lake Erie nicht kälter sein dürfte. Aber egal, die Gastfreundschaft ist unglaublich. Und als ob das noch nicht reicht, serviert uns seine Frau hausgemachte Suppe, Brot, Melonen und Kekse. 2 Bier sind auch noch inbegriffen. Wir fühlen uns wie im siebten Himmel. Danke! :-)


Gefahrene Kilometer
letzte 3 Tage: 190 km
insgesamt: 1119 km


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