Sonntag, 27. Mai 2012

Der Fast-100-Kilometer-Tag

Downtown Canandaigua
Heute habe ich mir für einen Großteil der Strecke einen Fahrradweg ausgesucht. Die gab es auf meiner bisherigen Strecke nur äußerst selten. Das Schöne daran: So gut wie keine Höhenmeter. Daher stelle ich heute auch meinen bisherigen Rekord von 97 Kilometern auf. :-)

Vorher mache ich jedoch noch einen Abstecher ins Wal-Mart um meine Vorräte aufzufrischen. Dabei besorge ich mir auch ein Mittel, welches den Juckreiz bei Mückenstichen lindern soll. Die Biester haben mir in den letzten Tagen ganz schön zugesetzt. "Afterbite" wird mir angeprießen als gut und günstig. Gekauft.

Jolly vor'm County Court House
Draußen angekommen, verteile ich das Zeugs erstmal großzügig auf alle Stiche. Dabei vernehme ich einen ekelhaften Geruch, der mich an Ameisensäure erinnert. Eine genauere Untersuchung meines Wundermittels hebt mich fast aus den Socken. Mir bleibt die Luft weg. Amoniak! Genau, der Gestank ist Amoniak! Die haben mir ne Amoniaktunke angedreht. Ich kann's kaum glauben, dachte ich doch bisher, dass Amoniak giftig ist. Na gut, es ist keine hohe Konzentration, doch alleine der Gestank macht es für mich unverwendbar. Ich schmier mir doch kein Amoniak auf die Haut! Der Mist geht doch durch. Das sind so ein paar blöde Stiche nun wirklich nicht wert. Unglaublich und bereits im nächsten Moment landet die Brühe in der großen Tonne.


Nachdem ich mir mal wieder Country auf's Ohr gepackt habe, merke ich heute schnell, dass die Zeit für Metal gekommen ist. Also muss die Nitty-Gritty-Dirt-Band Platz machen für Masterplan. Und ab da geht's vorwärts von Hochgefühl zu Hochgefühl. Toller Tag, tolles Wetter, tolle Strecke und mein Trommelfell ist am headbangen! :-)

Die Strecke ist wie ich sie mir vorgestellt habe. Schön flach und trotz feinem Schotter sehr gut befahrbar, auch mit meinem Tourenesel. Und ich genieße es. Einige Streckenabschnitte sind jedoch ein wenig kriminell für Tourenräder und ich mache mir Gedanken über meine Reifen. Da passt es, dass mir Mark entgegenkommt, der einen Platten hat. Beim plaudern merkt er schnell, dass ich kein Amerikaner bin. Als ich ihm sage, dass ich aus Deutschland bin, stellt sich heraus, dass er in den 80ern bei Köln stationiert war und seine Frau auch deutsche Eltern hat. Schon kommt sie daher geradelt und wir unterhalten uns ein paar Sätze lang auf Deutsch. Als ich Mark sage was ich vorhabe, will er sofort ein Foto von mir machen und auf Facebook hochladen. Naja, ich hab ja nichts dagegen :-)

Einfahrt zum AKW oder nur eine Brücke?
An meinem Tagesziel angekommen, steuere ich zunächst ein Bob Evans Restaurant an und bestelle mir ein Citrus Herb Chicken mit Fries, Brokoli und Knoblauchbrot. Lecker und absolut verdient. Da ich am Fenster sitze, beobachte ich, wie ein recht altes Renterpärchen im Tippelschritt von ihrem Auto über den Parkplatz auf's Restaurant zusteuern. Sie wirken schon ziemlich zerbrechlich und benötigen für den kurzen Weg gefühlte 5 Minuten. Das ist jedoch ein so schönes Bild, die beiden dabei zu beobachten, wie sie sich gegenseitig stützend und händchenhaltend ihren Weg bahnen, dass mir Weichmann tatsächlich das Herz aufgeht. Ich bin gerührt.

Nach gefühlten weiteren 5 Minuten sehe ich sie, wie sie zu einem Tisch geführt werden. Er, ganz Kavalier der alten Schule, macht eine einladende Bewegung, um seiner Gatting zu signalisieren, dass er warten wird, bis sie Platz genommen hat. Ich will mir mein Schmunzeln nicht verkneifen, denn das passiert alles in einem zeitlupenartigen Tempo. Herrlich! Bevor sich Omi jedoch setzen kann, dringt offensichtlich die im Hintergrund laufende Musik an Opi's Hörgerät. Unvermittelt nimmt er ihre Hand, führt sie auf Kopfhöhe, beginnt seine Füße zu bewegen und seinen Mund zu einem Pfeifen zu formen. Die beiden Tanzen. Also ich meine, jeder der die beiden beobachtet, weiß dass es Tanzen sein soll. Für ein paar Sekunden sind wir staunend in diesem Moment gefangen. Der aufkommende Szenenapplaus ist mehr als berechtigt und ich muss erstmal tief durchatmen, bevor ich weiteressen kann...

Ich miete mich direkt gegenüber im, von Indern geführten, Budget Inn ein. Ohne rasistisch wirken zu wollen, vermeide ich es in der Regel, aufgrund von mehreren schlechten Erfahrungen, in von Indern geführten Motels zu nächtigen. Diesmal werde ich jedoch Lügen gestraft. Abgesehen von ein wenig Dreck auf dem Kopfkissen - ist wahrscheinlich nur einmal verwendet worden - macht die Bude einen recht sauberen Eindruck.
Offensichtlich hat der Besitzer gerade die Randsteinmarkierungen gestrichen oder die Billigfarbe hat sich in der Sonne verflüssigt. Jedenfalls hab ich nun einige weiße Abdrücke am Vorderrad, welche ich leider ein wenig am Flurteppich verteile, während ich mein Stahlross in's Zimmer wuchte. I'm sorry!

Tagesbilanz
97 km - 290 Höhenmeter
Unterwegs von 8:30 - 16:30 Uhr
Schnitt 19,3 km/Stunde
Wolkig mit sonnigen Abschnitten. Windstill.
Übernachtung: Budget Inn in Batavia, NY


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